Ein guter Anfang

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Der Versuch, ein ganzes Parteiprogramm basisdemokratisch, also unter ständiger Mitwirkung aller Mitglieder, auszuformulieren, war ehrgeizig; wahrscheinlich zu ehrgeizig, um aufzugehen. Dass er in Stuttgart aufgegangen wäre, werden auch Optimisten nach Abschluss des Parteitages nicht behaupten wollen. Es waren nicht die inhaltlichen Debatten, sondern die Anträge zur Geschäftsordnung, die mehr als die Hälfte des Zeitbudgets der zweitägigen Veranstaltung verschlungen haben. Im Zweifel war das Verfahren, die Prozedur wichtiger als das Ergebnis.

Die Programmkommission hatte vorgearbeitet und ein Verfahren entwickelt, mit dem die Masse der Anträge so weit eingedampft werden konnte, dass die Behandlung und Verabschiedung innerhalb einer begrenzten Zeit zumindest möglich erschien. Aber auch dieser Kunstgriff konnte nicht verhindern, dass am Ende so wichtige und strittige Themen wie Klimaschutz und Mindestlohn nur im Schnelldurchgang behandelt, besser gesagt: nicht behandelt werden konnten. Mit der Folge, dass die Partei in Zukunft Forderungen vertreten soll, die in den Fachauschüssen höchst umstritten waren.

Es war schon spät am Samstagabend, als ein Antrag diskutiert wurde, der der augenscheinlichen Tatsache widersprach, dass Deutschland zum Einwanderungsland geworden ist. Nachdem der Antrag zunächst unter Zeitdruck durchgegangen war, wurde er am nächsten Morgen wieder aufgerufen, noch einmal besprochen und diesmal anders entschieden als wenige Stunden zuvor. Glücklicherweise, denn unabhängig vom Für und Wider der Entwicklung: dass Deutschland heute als Einwanderungsland dasteht, ist eine Tatsache, der sich kein Mensch verschließen kann, der mit offenen Augen durch die Straßen geht.

Diesen Zustand nicht weiter einreißen zu lassen, ist ein Ziel, für das die AfD schon früher eingetreten war; jetzt ist die Forderung Teil ihres Programms. Sie will Schluss machen mit der einseitigen Begünstigung von Kinderarmut oder Kinderlosigkeit und stellt Massnahmen in Aussicht, die der heillose Überalterung und dem ebenso heillosen Schrumpfen der einheimischen Bevölkerung entgegenwirken könnten. Dazu bedarf es unter anderem einer Abgabenpolitik, die Kindererziehung als eigenständigen Beitrag zur Rentenkasse in Rechnung stellt und auch bei der Steuer Entlastung schafft.

Bei seinen Entscheidungen zu Grundfragen der Außen- und Sicherheitspolitik war der Parteitag nicht so glücklich. Die Forderung nach einem Abzug fremder Truppen und sämtlicher Atomwaffen von deutschem Boden fand eine Mehrheit; der Wunsch, Mitglied in der NATO zu bleiben, aber auch. Wie das eine mit dem anderen zusammengehen soll, blieb freilich offen. Man fragt sich lieber nicht, wie die Amerikaner auf das Ansinnen reagieren würden, ihre Atomwaffen aus einem Land abzuziehen, das zu verteidigen sie sich vertraglich verpflichtet haben.

Wichtig war das Bekenntnis zum Dreiklang: Liberal, Konservativ und Patriotisch. Der Hinweis auf die soziale Verpflichtung des Eigentums kam demgegenüber gelegentlich zu kurz. Die AfD sollte hier keine Zweifel lassen, wenn sie eine Partei nicht nur der Mitte, sondern ausdrücklich auch der kleinen Leute sein und bleiben will. Bisher hat diese Quer-Front-Stratigie – eine Politik also, die sich der üblichen  Zuordnung nach rechts und links bewußt entzieht – der Partei ihre Wahlerfolge eingebracht. Wenn sie auch weiterhin erfolgreich sein will, sollte sie dabei bleiben.

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