Islam

„Ich kann die Furcht vor der Islamisierung verstehen“

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Konrad Adam, Gründungsmitglied und Sprecher der Alternative für Deutschland, spricht im F.A.Z.-Interview über Glaubenskriege, fehlende Aufklärung und die Frage: Wer passt zu uns?

Herr Adam, Sie haben in dieser Woche geäußert, dass Sie Verständnis für die Demonstranten in Dresden haben, die auf die Straße gehen, weil sie gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ sind. Sie sagten, dass die europäische Kultur bedroht sei. Erklären Sie das bitte.

Ich bezog mich mit dieser Äußerung unter anderem auf die Religionsfreiheit. Die Religionsfreiheit ist ein europäisches Produkt, eine europäische Erfindung. Sie ist historisch zu erklären aus der biblischen Tradition. So sind in Deutschland und in Europa Mentalitäten entstanden, die im Islam nach meiner Kenntnis nicht vorhanden sind.

Was genau ist im Islam nicht vorhanden?

Man kennt dort nicht die Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt. Diese Trennung hat sich ja auch in Deutschland und in Europa erst durch bestimmte Entwicklungen herausgebildet, vor allem durch den Investiturstreit im frühen Mittelalter. Entscheidend waren auch die Glaubenskriege, die vor allem auf deutschem Boden ausgetragen worden sind und die dort schlimme Verheerungen hinterlassen haben. Am Ende hat man dann gesagt: So geht es nicht weiter. Man hat einen Religionsfrieden geschlossen, und man hat dabei die weltliche Gewalt gestärkt. Diese Tradition der Gewaltenteilung hat Europa gutgetan. Im Islam ist diese Tradition aber nicht vorhanden. Die Kalifen, die unmittelbaren Nachfolger des Propheten, hatten beide Gewalten inne. Ebenfalls die Sultane. Zog ein Sultan in den Krieg, und das taten sie oft und gerne gegen die Christen, dann wurde vor dem Topkapi-Palast, dem Sitz der Sultane, zunächst die grüne Fahne des Propheten aufgepflanzt. Die Kriege der Sultane waren Glaubenskriege mit dementsprechenden Folgen für die Gegner.

Welche Folgen meinen Sie?

Lassen Sie mich Ihnen von den Janitscharen berichten. Sie waren eine Elitetruppe unter den Sultanen. Die Janitscharen waren gefürchtet bei den Gegnern. Das hatte einen bestimmten Grund: Die Janitscharen wurden rekrutiert ausschließlich von den christlichen Untertanen des Sultans. Die Christen hatten die Pflicht, ihren erstgeborenen Sohn beim Sultan abzuliefern. Die Erstgeborenen wurden in eine Kaserne gesteckt. Sie durften nicht heiraten und wurden zu fanatischen Glaubensanhängern erzogen. Ihnen wurde versprochen, dass sie in dem Moment, in dem sie auf dem Schlachtfeld das Leben ließen, direkt in den Himmel kommen und dort mit allerlei Freuden beglückt würden. Das hatte natürlich Folgen für die Kampfmoral. Aber diese Knabenlese, so der offizielle Begriff, ist eine Art von Rekrutierung, die sich mit westlichen Vorstellungen nicht so ohne weiteres verbindet und die auch nicht unbedingt auf Toleranz und Gleichberechtigung der christlichen Untertanen schließen lässt.

Man könnte einwenden, dass Ihre Erzählung von den Janitscharen eine Geschichte aus der Vergangenheit ist und mit der Gegenwart nichts mehr zu tun hat.

Ja, das ist Vergangenheit. Das ist vollkommen richtig. Und diese Vergangenheit ist von niemandem energischer beendet worden als von Kemal Atatürk, dem Gründer der Republik Türkei. Atatürk hat die Säkularisierung des Landes vorangebracht und gilt zu Recht als Vater der modernen Türkei. Er hat zum Beispiel die Hagia Sophia, die bis dahin eine Moschee war, in ein Museum umgewandelt. Er hat die traditionelle Kopfbedeckung der Männer, den Fes, verboten. Er hat viele traditionelle Vorrechte der Muslime in der Türkei aufgehoben. Aber diese Entwicklung wird ja momentan durch Erdogan zurückgedrängt. Erst vor wenigen Tagen hat Erdogan wieder ausdrücklich erklärt, die Frau sei minderen Rechtes gegenüber dem Mann. Wie verträgt sich das mit unserer abendländischen Tradition, die auf Gleichberechtigung besteht? Wie verträgt sich das im Islam verankerte Verbot, seinen Glauben zu wechseln, mit unserer Tradition? Wer im Islam seinen Glauben wechselt, der soll mit dem Tode bestraft werden. In der EU-Menschenrechtscharta und in der UN-Menschenrechtscharta ist der Glaubenswechsel aber ausdrücklich vorgesehen. Da gibt es doch Widersprüche. All das ist historisch gewachsen, und die Geschichte hat ihr eigenes Recht. Man sollte sich nur nicht über diese Dinge einfach hinwegsetzen, sondern sie ernst nehmen.

Reduzieren Sie den Islam nicht auf eine Geschichte der Kriege?

Nein. Natürlich nicht. Neben der kriegerischen und intoleranten Version des Islam gab es immer auch andere Strömungen. Und mir ist bewusst, dass diese Strömungen allerlei wundervolle Dinge etwa in Spanien hervorgebracht haben. Und denken Sie nur an die wunderbaren Handschriften. Die Zierschrift des Arabischen hat mich schon immer beeindruckt. Oder denken Sie an die Tatsache, dass viele Schriften von Aristoteles uns nur über arabische Umwege erhalten geblieben sind. In seiner Anfangsphase war der Islam in vielfacher Hinsicht der christlichen Tradition und den christlichen Kirchen überlegen. Aber die christliche Tradition hat dann die Aufklärung hervorgebracht. Im Islam gibt es so etwas wie Aufklärung nicht. Im Topkapi-Palast befindet sich heute ein Museum. Wenn Sie im Palast ganz nach hinten gehen, dann finden Sie dort sozusagen die geistliche Schatzkammer, das heißt, da wird die religiöse Tradition des Islam dargestellt. Und was sehen Sie da? Drei große, breite Schwerter.

Was hat es mit diesen Schwertern auf sich?

Das ist die Hinterlassenschaft von Mohammed und von seinen unmittelbaren Nachfolgern. So etwas finden Sie im Christentum nicht. Da finden Sie Marterinstrumente wie das Kreuz und die Dornenkrone. Noch einmal: Ich will kein Urteil fällen. Aber ich finde, dass man solche Dinge ernst nehmen sollte. Denn die Schwerter verdeutlichen, welcher Geist, abseits der kulturellen Errungenschaften, in der Frühphase des Islam herrschte und auch heute gelegentlich noch herrscht. Denken Sie nur an die Krieger des „Islamischen Staats“. Die breiten ihren Glauben mit Feuer und Schwert aus.

Die Menschen, die in Dresden und in anderen Städten demonstrieren, haben Furcht vor einer „Islamisierung des Abendlandes“. Können Sie diese Furcht verstehen? Auch der „Islamische Staat“ ist schließlich weit weg.

Ja, ich kann die Furcht verstehen. Gefühle sollte man immer zunächst einmal zu verstehen suchen. Aber zwischen Islam und Islamismus ist ja ein erheblicher Unterschied. Und auch hier muss man etwas genauer hingucken, bevor man pauschale Urteile spricht.

Sie haben genauer hingeguckt. Was also ist Ihr Urteil?

Mein Urteil ist, wie ich schon erwähnte, dass es ganz unterschiedliche Traditionen gab und gibt. Dass man differenzieren muss. Ich will Ihnen von einem mir bekannten und hochgeschätzten Kreisvorsitzenden meiner Partei erzählen. Schon der Name lässt erkennen, dass der Mann türkische Wurzeln hat. Er erzählte mir, dass sein Großvater – sein Großvater wohlgemerkt, dritte Generation also – nach Deutschland gekommen sei, aus Anatolien. Der Mann spricht tadellos und akzentfrei Deutsch. Er hat die deutsche Tradition offenkundig aufgenommen, und er fühlt sich bei uns, so scheint es mir jedenfalls, sehr wohl. Sonst wäre er ja auch nicht Kreisvorsitzender geworden. Er wird aber von zwei ganz unterschiedlichen Seiten kritisch begutachtet, ich will nicht sagen, angefeindet. Einige Mitglieder meiner Partei kritisieren ihn. Sie glauben, dass man Leute mit einem derartigen Namen und einer derartigen Herkunft nicht unbedingt in einer deutschen Partei begrüßen müsse. Vor allen Dingen aber wird er von seinen Landsleuten kritisiert. Die fragen ihn: Was machst du da? Warum gehst du da hin?

Worauf wollen Sie hinaus?

Ich warne davor, zu glauben, Dinge von heute auf morgen ändern zu können. Das braucht Zeit. Der Kreisvorsitzende ist ein tüchtiger und vertrauenswürdiger Mann. Natürlich sind solche Leute bei uns willkommen. Aber andere nicht. Auch hier muss man genauer hinschauen. Die Leute, die zu uns kommen, bringen gewisse Traditionen und gewisse Glaubenssätze mit. Diese Glaubenssätze müssen wir ernst nehmen. Nur weil wir ein säkularer Staat sind, der die Aufklärung hinter sich hat und über Glauben oder Unglauben seine Späße macht, sollten wir nicht denken, dass es in anderen Religionen oder religiösen Gemeinschaften genauso wäre.

Was sollen wir stattdessen tun?

Ich weiß nicht, ob Sie das Wintermärchen von Heinrich Heine kennen. Heine amüsiert sich darin köstlich über die preußischen Zöllner, die an der Grenze bei Aachen sein Gepäck filzen und gucken, ob er gefährliche Konterbande mit sich führt. Er sagt: Ihr Narren, Ihr sucht in meinem Gepäck, aber die wirklich gefährliche Konterbande, die seht ihr nicht, die habe ich nämlich im Kopf, das sind meine Gedanken. Heinrich Heine, ein souveräner und hochbegabter Mann, hat Gebrauch vom Inhalt seines Kopfes gemacht. Er hat die Verhältnisse in Deutschland scharf kritisiert. Und das wünsche ich mir auch von der Politik. Sie soll die Leute nicht nur als Konsumenten und als Produzenten nach Deutschland holen. Sondern sie soll sich fragen: Wo kommen die her? Passen die zu uns? Wollen die wirklich zu uns? Oder, um den Begriff zu benutzen: sind die integrationswillig und integrationsfähig? Das ist die entscheidende Frage.

Ich möchte noch einmal auf die Religionsfreiheit zurückkommen: Gilt sie auch für den Islam?

Im Grundsatz ja, sofern die Muslime in Deutschland und in Europa die abendländisch verwurzelte Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Macht anerkennen. Schon im Markusevangelium heißt es: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Ich möchte nicht, dass irgendein Mullah darüber befindet, wie ein Dieb zu behandeln ist.